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Früher war alles besser. Das ist ein Punkt, um den man im modernen Fußballgeschäft nicht herumkommt. Früher hatte man noch echte Kämpfer, wenn überhaupt einfache Gehaltsvorstellungen und tragende Feindbilder. Diese waren sich ihrer biblischen Rolle bewußt und erfüllten die an sie gestellten Erwartungen in einer fast sklavischen Beflissenheit. Ja, früher war alles besser. Heute hingegen kommt man sich schon wie Hitlers Enkel vor, wenn man den Gegner standesgemäß als Schwein" bezeichnet. Heute kann man sich ja nicht einmal der sexuellen Ausrichtung kleiner Österreichischer Diktatoren sicher sein, geschweige denn den privaten Ausührungen des "Didders", ob Verona nun einen Benz oder einen Porsche wollte. Früher *seufz*... |
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Heute degradiert sich der ewige Kampf zwischen Gut und Böse nur noch zum Krieg der Knöpfe. Zwei alten, zahnlosen Gladiatoren gleich schlagen sich Chemie und Lok in Liga vier um drei Punkte. Krankmachende Zahlenspiele und dennoch nicht unverdient, denn die Rudimente der beiden ehemals gloriosen Leipziger Fußballklubs stecken selbstverschuldet in der Provinzstaffel. Generöse Fußballmanager und der schon fast sprichwörtliche Hang zum Selbstdarstellertum kosteten über die Jahre so manche Menge Nerven und brachten ausser Hohn, Spott und der Erkenntnis, dass "Das Lebbe" weitergeht, nicht viel Vorzeigbares. Den Zuschauern ist es aber weitestgehend egal, denn was Wende und D-Mark nicht schafften, will man sich auch heute nicht von den sportpolitischen Pepones im Neuen Rathaus zerstören lassen - Eine gepflegte Antipathie. In einer Zeit der fortschreitenden Entfremdung, in der Hippness und Wellness die emotionalen Fresken der Oberflächlichkeit darstellen, ist das pochende Gefühl des Nächstenhasses ein ehrliches, ein schon fast existenzielles. Und so gibt es sie auch heute noch: Die dreckigen Chemiker, welche sozial unterdimensoniert dem Staat auf der Tasche liegen und in gepflegter Germania-Pils-Runde das Weltgeschehen kommentieren, sowie die Lok-Schweine, die gehaßten Opportunisten, die bürgerlichen Bonzen, die Hesslings des Leipziger Fußballs, durch deren Verrat am ehrlichen Fußballostdeutschen die SED unbehelligt regieren konnte. Ein glücklicher Mensch ist, der solche Problem hat, denn ihm kann es unmöglich schlecht gehen. |
Trotzdem ist die traute und heimelige Feindseligkeit bedroht, denn scheinbar fehlt den kommunalen Volksvertretern etwas neben der Bewältigung des alltäglichen Wahnsinns. Beschäftigung möchte man meinen, stellte doch vor nicht allzu langer Zeit El Tschensolino, seines Zeichens Sportdezernent von Leipzig, die kühne These auf, dass zwei Klubs mit einem Zuschauerschnitt von 4000 ein für mehrere zehntausend konzipiertes Stadion füllen könnten. Nachdem die Fan-Fraktionen das Lachen beendet hatten und sich der Staub des Kopfschüttelns legte, stand El Tschensolino immer noch da. Unbeirrt und fest entschlossen beharrte er auf die Einweisung in die geschlossene Anstalt. |
Fehlt da nicht etwas am Spruchband?!? |
Sein unschlagbares Argument lautete Fusion zu einem großen Leipziger Verein, der dann in hochklassigen Ligen überholen ohne loszufahren soll. Und da waren sich die Leipziger plötzlich einig. Eine Fusion könnte das Ende der so lange gepflegten Feindschaft bedeuten! Ein Stück sächsischer Lebenskultur soll dem Kommerz des Kinopleitiers Kölmel zum Opfer fallen? Nicht mit uns. Und so fieberte man dem neunten Spieltag entgegen. Die Maßgabe war klar: Dem Nachbar und vor allem dem Rathaus sollte über die Abneigung gegenüber dem anderen klar werden. Unmißverständlich. Nachhaltig. Brutal. Wäre man als Fan bei Robert "Fünf-Mark-ins-Schweinderl" Lembke zu Gast gewesen, hätte man bei der Frage nach der typischen Handbewegung nur den Mittelfinger zeigen können. "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" steht in der Bibel. So alte und verbrauchte Gedanken sind göttlicher Pillepalle und dabei zeigt sich auch nebenher, dass Nietzsche wohl Fußballkenner gewesen sein muss. Ging es nämlich danach, wären die Leipziger ein Volk von Sado-Masochisten. |
Aber irgendwie funktionierte es. Zwar flogen von beiden Seiten die Feuerwerkskörper und Verbalinjurien im Dutzend billiger, doch beließ man es bei der geistreichen Konversation ("Eeehh du Pisser!" "Selber!") im Nachhinein. Aber man versteht sich, denn nicht auszudenken, wäre das Publikum von landeshaupstädtischer Natur gewesen. Fraglich bleibt nur der Slogan "LOK schaut auf Euch herab", den ein Flugzeug über den Plachetrichter schleppte. Hat Gott "Premiere-World"? Oder ist er wirklich tot? Oder nur mal Zigaretten holen? Oder LOK-Fan? Dann doch lieber tot, oder? Doch mir vorliegende geheime Regierungsberichte weisen daraufhin, dass der Flieger nebst Spruchband manipuliert wurde. Defätisten sorgten dafür, dass der hintere Teil des Spruchbandes fehlte. Auf ihm stand: "...wischt sich die Tränen aus den Augen und geht ab sofort nur noch nach Leutzsch!" |
Steckt er hinter dem Anschlag aufs LOK-Spruchband? |
Fußball gab es übrigens auch. In einem sportlich relativ anspruchslosen Match trennten sich Lok und Chemie unentschieden, nachdem beide ihre Fans einmal haben jubeln und kotzen lassen. Und das will sich gefälligst auch in Zukunft niemand nehmen lassen, denn mal ehrlich: Wer nicht hüpft ist doch wirklich ein Clubschwein, oder? |
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